Ist es möglich, Menschen zur Liebe zu zwingen? Mächtige Menschen können andere zu so ziemlich allem zwingen. Durch psychologische oder physische Folter kann es ihnen gelingen, andere zu zwingen ihre Kinder zu verfluchen oder ihren Glauben zu verleugnen. Es kann ihnen sogar gelingen, andere zu zwingen, ihnen gegenüber liebevolle Dinge zu sagen oder zu tun. Aber niemand kann eine andere Person zwingen, ihn tatsächlich zu lieben.
Man könnte argumentieren, dass Gott uns erschaffen hat und er uns darum nicht zwingen muss, ihn zu lieben. Er hätte uns einfach mit dem unstillbaren Wunsch, ihn zu lieben, erschaffen können. In diesem Fall würden wir uns einfach aufgrund der Art und Weise, wie wir erschaffen wurden, dafür entscheiden, Gott zu lieben. Diese Vermutung steht aber im Widerspruch zu unseren Erfahrungen.
Betrachte diesen Vergleich: Angenommen, ich wäre in der Lage, einen Computerchip zu erfinden, der auf deterministische Weise mit einem menschlichen Gehirn interagieren kann. Die Person, die den Chip trägt, tut genau das, was der Chip ihr diktiert, ohne dass diese Person selbst dies bemerkt. Nehmen wir weiter an, dass ich den Chip so programmiert habe, dass er „die perfekte Ehefrau“ hervorbringt und während meine Frau schlief, setzte ich den Chip in ihr Gehirn ein. Am nächsten Morgen, würde sie entsprechend meiner Vorstellung von einer perfekten Ehefrau aufwachen. Sie würde sich vollkommen liebevoll benehmen, sprechen und fühlen. Dank dem raffinierten Chip würde sie glauben, dass sie sich freiwillig dafür entschieden hat, mich auf diese Weise zu lieben, obwohl sie in Wahrheit nicht anders handeln könnte.
Würde meine Frau mich aufrichtig lieben? Ich denke nicht! Der Beweis dafür ist, dass ich (und hoffentlich alle Ehemänner) diese „Liebe“ letztendlich als unbefriedigend empfinden würden. Ich würde wissen, dass meine Frau nicht aus eigenem Antrieb diese liebevollen Gefühle empfindet oder sich liebevoll verhält. In Wirklichkeit wäre es einfach ich selbst, der durch diesen raffinierten Chip handelt und zu mir spricht. Das Verhalten meiner Frau wäre nicht von ihr selbst gewählt und folglich würde sie mich nicht wirklich lieben. Sie würde einer Marionette gleichen. Wenn ich will, dass sie mich liebt, muss sie selbst auch die Fähigkeit besitzen, sich gegen diese Liebe zu entscheiden.
Wenn Gott sich eine Braut wünscht, die aus Menschen besteht, die ihn aufrichtig lieben (siehe Joh.17) – die nicht nur so tun, als würden sie ihn lieben – dann muss er Menschen erschaffen, welche die Fähigkeit besitzen, ihn abzulehnen. Er muss uns als Wesen mit Selbstbestimmung ausstatten. Wir, nicht er, müssen uns entscheiden, ob wir ihn und einander lieben wollen oder nicht. Und ich behaupte, das erklärt, warum Gott eine Welt erschaffen hat, in der das Böse möglich ist. Wenn Liebe das Ziel ist, geht es nicht anders. Gott hat sich nur in dem Sinn dafür entschieden, eine Welt zu erschaffen, in der das Böse möglich ist, weil er sich dafür entschieden hat, eine Welt zu schaffen, in der Liebe möglich ist. Die Möglichkeit des Bösen ist keine zusätzliche Entscheidung Gottes; sie ist mit eingeschlossen in der einzigen Entscheidung, eine Welt zu erschaffen, in der Liebe möglich ist. Letztendlich ist dies der metaphysische Preis, den Gott zahlen muss, wenn er eine Braut möchte, die Ja zu seiner dreieinigen Liebe sagt.
Auszug aus dem Buch“ Satan and the problem of evil“, Seiten 54-55
Englisches Original: https://reknew.org/2015/02/why-did-god-allow-evil/