Missverstandene Bibeltexte (2): Das Buch Hiob

Das Buch Hiob ist eines jener biblischen Bücher, welche im Laufe der Geschichte immer wieder  missverstanden wurde, was oftmals in einer verzerrten Vorstellung über Gott resultierte. Das betrifft insbesondere die unangebrachte Anwendung jenes Verses, in dem Hiob sagt „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, gepriesen sei der Name des Herrn“. Dieser von Hiob ausgesprochene Satz wird oft dazu verwendet, um Leid und Schmerz so zu erklären, dass die Verantwortung für Leid und Schmerz Gott zugeschrieben wird. Diese Interpretation ist problematisch, da sie die Worte Hiobs total aus dem Zusammenhang reißt und den Gesamteindruck des Buches völlig ignoriert.

Das Buch Hiob gehört zur Gattung der epischen Poesie. Diese Art der Literatur will nicht nur einen Faktenbericht über eine Person geben. Es ist vielmehr eine von Gott inspirierte, poetische Dramatisierung, die allen Zuhörern eine Lektion vermitteln möchte. Typischerweise beginnt diese Art von Literatur mit einem Prolog zur Vorbereitung der Geschichte. Satan beschuldigte Gott, ein machiavellistischer Herrscher zu sein, also ein Tyrann, der die Menschen dahingehend manipuliert, dass sie ihn anbeten. Der einzige Weg, um diese Anschuldigung zu widerlegen, besteht darin, sie einem Test zu unterziehen. Alles, was Hiob zustieß, verursachte Satan mit seiner Macht; Leid und Schmerz, welche Hiob erduldete, waren nicht Teil von Gottes grossem Plan, und es war auch nicht Gott, der Hiob irgendetwas wegnahm.

Weiter betrachtet die Geschichte die Auswirkungen von Hiobs Leid und Schmerz. Zwei rivalisierende Theologien werden präsentiert – Satans Theologie und Hiobs Theologie. Hiobs Freunde vertreten eine Theologie, gemäß der Gott die Gerechten segnet und die Sünder straft (eine abgeänderte Version von Satans Theologie). Indem sie Hiobs Schmerz seiner mangelnden Gerechtigkeit zuschreiben, haben diese Freunde ein Gefühl der Sicherheit für sich selbst gefunden. So lange sie gerecht bleiben, werden sie eine Bestrafung vermeiden. Hiob hingegen beschuldigt Gott wegen seinen Leiden. Beide Theologien sind nicht korrekt.

Wir wissen, dass diese Theologie irrt, weil Jesus sie durch sein Handeln im Neuen Testament widerlegt hat. Auch Gott widerlegt sie am Ende des Buches Hiob. Dort erscheint Gott in einem Wirbelsturm, um die Erklärungen des Geschehenen sowohl von Hiob wie auch von seinen Freunde zu korrigieren. In diesen abschliessenden Kapiteln zeigt sich die Hauptaussage der Geschichte. Der Kern dieses epischen Gedichts ist folgender: das Universum ist viel zu komplex, um einfach in eine Formel gepresst zu werden, welche sagt, dass jeder Segen eine Belohnung für richtiges Handeln und alle Probleme eine Bestrafung für Sünde ist.

Als Christen sollten wir uns dieses Verständnisses bewusst sein, wenn wir mit der Frage des Leidens zu tun haben. Es geht völlig in Ordnung zu sagen: Wir wissen es nicht. Es ist nicht unsere Aufgabe, alle Antworten darauf zu haben, warum schlechte Dinge in dieser Welt geschehen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, unseren Blick auf das Kreuz zu richten, und daran zu denken, dass unser Gott ein Gott ist, der bereit ist, für die Menschen zu sterben, die ihn kreuzigten.

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